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Rückblick | MESSY ARCHIVE GROUP

Vom 30.05. bis 03.06.2021 war die MESSY ARCHIVE GROUP für eine Residenz in unserer Werkstatt zu Gast. Ab dem 11.07.2021 präsentieren sie Ergebnisse aus ihrer Auseinandersetzung mit Texten von Lucy Parsons, Ito Noe, Kanno Sugako, Louise Michel, Ursula K. Le Guin, Flora Tristan und deren anarchistischen Gedanken in Form eines Rundgangs um das atelier automatique.


alle Fotos: MESSY ARCHIVE GROUP

Hier stellen sie sich im Interview vor:
Wer und was ist die MESSY ARCHIVE GROUP?

Die MESSY ARCHIVE GROUP ist ein loser, doch verbindlicher Zusammenschluss von Künstler:innen, der sich mit dem Wiederauflegen von unbekannteren Texten aus und um einen feministischen Kanon beschäftigt.

Wie hat sich die Gruppe gefunden und wie arbeitet ihr zusammen?

Wir treffen uns alle zwei Wochen online und stellen uns Texte von Autorinnen vor, die wir dann gemeinsam lesen und uns darüber verständigen. Entstanden ist die Gruppe durch das gemeinsame Interesse an dieser Praxis des Teilens und Austauschens. Unseren Austausch übersetzen wir in einem nächsten Schritt in die Gestaltung von Printmedien. Manche von uns kennen sich schon länger, andere haben sich beim Lesen erst kennen gelernt.

Was versteht ihr denn als Messy in eurer Praxis?

Das Attribut Messy steht für uns in Verbindung mit der Designerin Martha Scotford, die 1993 den Begriff der Messy History prägte, um den konventionellen Design-Kanon zu hinterfragen und eine non-lineare, feministische Geschichtsschreibung anzustoßen. Eine Messy History ist demnach eine unkonventionelle Geschichte; sind viele Geschichten, die verstreut liegen; die nicht in Monumental-Katalogen gelistet sind; die wir in der Bibliothek nicht finden können.

Aktuell arbeitet ihr ja vor allem mit Texten von Anarchistinnen. Wie kam es dazu / Wie seid ihr zum Anarchismus gekommen?

Ausgehend von dem Text Revolutionary Diary of an Anarchist (1972) von Kathy Acker haben wir uns gefragt, was Anarchistinnen in den letzten 200 Jahren gedacht haben, aus welchen Überzeugungen heraus sie handelten. Bei der Recherche war es spannend zu merken, wie viele verschiedene Anarchismen es gibt, jede hat ihren eigenen – mit der Gemeinsamkeit, dass es immer um das Bemühen geht, Freiheit zu ermöglichen.

Was macht für euch das gemeinsame Lesen älterer feministischer Texte aus? Was interessiert euch daran?

Wir wollen wissen, was Feminist:innen in der Vergangenheit getan, gedacht und geschrieben haben. Wie sie sich politisch eingebracht haben in gesellschaftliche Diskurse, welche Prakitiken des Widerstands und der Solidarität sie entwickelt haben. Diese Texte – Zeitungsartikel, Briefe, Propagandamaterial, Gedichte, Tagebucheinträge – geraten schnell in Vergessenheit. Sie gehören nicht zum allgemeinen Bildungskanon.
Das Vorlesen hat eine performative Qualität, neue Aspekte und Inhalte kommen hervor, die vielleicht beim individuellen Lesen anders wahrgenommen werden. Durch das gemeinsame Lesen hat sich unsere Gruppe erst gebildet, jedenfalls das Gefühl, eine zu sein.

Wie habt ihr die Tage im atelier verbracht?

Über fünf Tage verteilt beschäftigten wir uns tiefgehend mit Texten von Lucy Parsons, Ito Noe, Kanno Sugako, Louise Michel, Ursula K. Le Guin, Flora Tristan und deren anarchistischen Gedanken; und konzipierten eine Intervention rund um das Atelier, die diese Texte in den öffentlichen Stadtraum bringt.

Was erwartet uns ab dem 11.07.?

Für den 11.07. bereiten wir einen Rundgang um das atelier automatique vor.
Unter einer Brückenunterführung werden Bäder genommen; Briefe werden an Idole geschrieben; es wird zum Picknick auf dem Dorfplatz eingeladen und Gerichtssäle auf Ahornalleen errichtet; Zeug:innen werden befragt und Stachelschweine beim Rückwärtsgehen beobachtet.